Ursprüngliches Selbst in uns selbst empfangen
Zu akzeptieren dass Buddha-Natur bereits in unserem Leben atmet, „arbeitet“ oder wirkt, kann ein Wandlungspunkt in unserer Praxis und in unserem Leben werden.
Manchmal praktizieren wir um Buddha-Natur oder ursprüngliches Selbst zu verwirklichen oder auch um ein anderes Ziel zu erreichen, doch Buddha-Natur ist nicht im gewöhnlichen Sinne zu fassen und etwas „Erreichtes“, wie z.B. ein Gefühl der Befriedigung, einen Lohn, kann man nicht festhalten. Wenn wir nur mit der Vorstellung üben, dass zuerst die Praxis kommt und dann später ein Ergebnis, kann das „Ergebnis“ sich nicht einstellen und es mag ein Punkt der Entmutigung kommen, an dem in uns Zweifel auftauchen über ihren Sinn. Vielleicht gelangen wir alle zu einer Zeit an diesen „toten Punkt“ und fühlen eine gewisse Hilflosigkeit.
Sie entsteht aus dem Umstand, dass wir innerlich noch darauf warten, dass etwas passiert. Es bleibt noch ein Rest von Bewertung, der die eigentliche Aktivität befleckt. Das ist oft ein Teil der Entwicklung in der Praxis. Doch solch ein scheinbar „totes Ende“ kann genau der Wandlungspunkt werden, an dem wir tiefer zur lebendigen Ganzheit des So-Seins - die schon bei uns ist - erwachen können.
Indem wir dieses scheinbar „tote Ende“ ganz annehmen und, ohne damit zu hadern, innerlich darin für einen Augenblick still und unbewegt werden, können wir auf neue, ungeteilte Weise dessen gewahr werden, dass Buddha-Natur, ursprüngliches Selbst, schon immer in unserem Leben gegenwärtig sind. Z.B. als „GESCHEHEN“ in unserer Atmung, als Hintergrund einer natürlich fließenden Geistverfassung, und letztendlich als Lebensenergie in all unserem Tun. Wir haben sie nur noch nicht restlos „eingeladen“.
Wenn wir diese „Einladung“ im Akt des Sitzens durch den ganzen Körper vollziehen, wird sie zum Wandlungspunkt. Darin kann sich unser Geist der Praxis wandeln, und seine Ausrichtung kann sich innerhalb des Weges wieder erneuern. Gassho, Sampai, Zazen und Kinhin, aber auch die kleinen alltäglichen Handlungen, können, von innen her, zu einer ganzen, sich selbst erfüllenden Präsenz werden, in der sich Buddha und „gewöhnliches Selbst“ vollständig durchdringen. Wenn uns diese Grunderfahrung dann ungezwungen in den Alltag hinein begleitet, begleitet uns Etwas, das sich in den alltäglichen Handlungen widerspiegeln wird. Wie aus einer reinen Quelle können eine tiefe Freude und ein tiefer „Glaube des Geistes“ im Inneren des Geistes entspringen und unser Leben tragen.
Einfache Handlungen wie Gemüse schneiden, mit einer Kelle Suppe schöpfen und Austeilen, können in der Ganzheit des Augenblicks und unserer natürlichen Präsenz darin zu einem sich selbsterfüllenden „Ereignis“ werden, in dem die ruhige, tiefgründige Energie unseres Lebens zum Ausdruck kommt.
Ein alter Meister sagte: „Buddha-Natur oder ursprüngliches Selbst stützen uns bereits bevor unsere Gedanken darüber aufkeimen.“
Es liegt an uns, sie tief innerlich zu „empfangen“. Der Akt des „Empfangens“ befreit uns von der Bürde des Gefangenseins in der Begrenzung des „Ich“ oder des „Erreichen-Müssens“ und verbindet uns mit der unbefleckten Tiefe und Würde „aller Existenzen“. Die Akte der „Einladung“ und des „Empfangens“ bringen gleichzeitig ein natürliches Geben hervor, indem diese Verbundenheit bestätigt werden kann.
Manchmal scheint es so, als ob wir verlernt haben, das Eigentliche „zu empfangen“, oder wir weigern uns gar, weil uns, in der vergehenden Welt der Erscheinungsformen, unsere durch eine lange Gewohnheit des Anhaftens geprägten Vorstellungen, eine scheinbare Sicherheit geben. Diese tief verwurzelte Gewohnheit zu durchbrechen oder unseren Geist daraus zu lösen, fällt uns schwer, weil wir dem Eigentlichen nicht mehr ganz vertrauen. Doch unser eigener Körper, in der Haltung des Buddha, kann uns zurückbringen in unsere „ursprüngliche Heimat“ im Jetzt und im Eigentlichen, wenn wir bereit sind, sie zu empfangen.
Es ist wahr, unsere Praxis ist unvollkommen. Doch diese Unvollkommenheit ist gleichzeitig auch unsere Chance. Durch sie können wir immer wieder in den Wandlungsprozess eintauchen, und so tiefer und tiefer das
Wenn wir den Prozess des „Zurück-kommens“ ganz annehmen kann sich die Kraft des blinden, anhaftenden Verlangens verwandeln in die ruhige Energie des WEG-Geistes. Solcher WEG-Geist ist innig verbunden mit den Bodhisattva-Gelübden und kann in uns zum „zeitlosen Weg“ werden, der über unsere Unvollkommenheit hinausgeht. Der zeitlose Weg und die Tiefe des gegenwärtigen Augenblicks sind nicht getrennt. Deshalb gibt es darin keine Eile oder Hektik, sondern in ruhiger Beständigkeit können wir dann auf dem Weg gehen.
L. Tenryu
2. Woche im April 2021